Uns interessiert nicht nur die Frage, wie homogen oder heterogen das in den Referenzen geronnene Wissen ist, sondern auch, ob und wie sich bestimmte Wissenselemente im Zeitverlauf ablagern – indem z.B. Referenzen immer wieder oder ab einem bestimmten Zeitpunkt gar nicht mehr aufgerufen werden.
Das gilt für die Autor*innen als solche (z.B.: ab welchem Zeitpunkt, in welcher Form und bis wann werden Texte von Immanuel Kant zitiert?), aber auch für Autor*innen-Gruppen, die unterschiedlich kategorisert werden können: im folgenden Beispiel werden – im Zeitverlauf der jeweils zitierenden Werke angeordnet – Autoren, die dem ‚Kantianismus‘ zugeschrieben werden (vgl. Ruberg 2003), und solche, die Mitglied in der Gesellschaft der praktischen Erzieher waren (vgl. Austermann 2010:27ff.), gezeigt.
Wendet man diese Logik an, lassen sich vermeintliche oder tatsächliche Zäsuren in der Wissensbasis feststellen. Hier sieht man z.B., dass (auch) in den Werken der so genannten ‚Kantianer‘ und um 1850 Referenzen auf die ‚Praktischen Erzieher‘ zu finden sind; ‚kantianische‘ Referenzen werden hier innerhalb des Genres schlicht ergänzt, ohne, dass die Schriften der ‚Praktischen Erzieher‘ plötzlich verschwinden würden (was immer das im Einzelnen dann auch konkret heißt). Visualisierung mit NodeXL.
Auf diesem Weg können wir Referenzen und Referenz-Gruppen im Zeitverlauf ‚verfolgen‘, sowohl innerhalb unseres Datensatzes als auch mit Bezug auf Datensätze aus anderen Projekten. So können wir z.B. feststellen, ob ‚unsere‘ Lehrbuchautoren auch in erziehungswissenschaftlichen Lexika zwischen 1835 und 1945 eine tragende Rolle spielen, und wenn ja, welche:
Rechts im Bild sind die Lexika, die Anne Hild (2018) analysiert, im Zeitverlauf abgebildet. In diesem Zeitverlauf verortet sind Autoren aus dem EWiG-Datensatz, die zwischen 1750 und 1850 ein Lehrbuch, eine Vorlesungssammlung oder ähnliches veröffentlicht haben, dargestellt. Grün eingefärbt sind EWiG-Autoren, die in den Lexika nach Hild kein eigenes Personenlemma erhalten haben. Blau eingefärbt sind solche Autoren, die a) nur in wenigen Lexika und b) nur innerhalb bestimmter Zeitabschnitte Lemma erhalten haben. Pink eingefärbt sind solche Autoren, die a) in mehreren und b) zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten Lemma erhalten haben. Orange eingefärbt sind Autoren, die seit 1835 bis 1941 in beinahe jedem von Hild untersuchten Lexikon ein Personenlemma erhalten haben. Visualisierung mit NodeXL.
Durch die Analyse von Wissenssedimenten können wir „Frequenz und Bewährung“ (Hild 2018:193ff.) von Autor*innen messen und anhand ausgewählter Beispiele vertiefend analysieren.
Literatur
Austermann, Simone (2010): Die „Allgemeine Revision“. Pädagogische Theorieentwicklung im 18. Jahrhundert. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Hild, Anne (2018): „Helden und Denker“ der Pädagogik im Spiegel ihrer Fachlexika von 1774 bis 1945. Göttingen: Göttinger Universitätsverlag. Link zur frei zugänglichen Online-Publikation: hier
Ruberg, Christiane (2003): Wie ist Erziehung möglich? Moralerziehung bei den frühen pädagogischen Kantianern. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Tools
NodeXL in der Social Media Research Foundation: hier