Einführungen, Lehrbücher, Vorlesungssammlungen, frühe ‚Allgemeine‘ Pädagogiken etc. repräsentieren nicht nur „geronnene[s ] Wissen“ (Kempka 2015: 125) zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. innerhalb eines bestimmten Kontextes der Wissens- und Wissenschaftsgeschichte, sie entwerfen auch – ihrem jeweiligen Anspruch nach – Systematiken des Wissens, das als ‚Grundwissen‘ des wissenschaftlichen Feldes betrachtet wird.
Im Projekt EWiG stehen daher zwei Datentypen besonders im Vordergrund: Die Vorworte der Werke sowie die Referenzen, die innerhalb der Werke gesetzt werden (ob im Fließtext des Dokumentes oder im Rahmen eines Literaturverzeichnisses).
In den Vorworten finden sich Hinweise auf den Entstehungskontext des Werkes (z.B. ‚Niederschrift einer Vorlesung‘), aber auch komplexere Erzählungen, die sich auf die (je) aktuelle Lage des wissenschaftlichen Feldes (aus Sicht der Autor*innen) oder auf den grundlagentheoretischen Anspruch der wissenschaftlichen Pädagogik resp. Erziehungswissenschaft zum jeweiligen Zeitpunkt und in Zukunft beziehen:
„Die Sätze aus der Methodik und Pädagogik, welche ich hier mit kurzen Erläuterungen dem Publikum vorlege, sind die Resultate aus den Schriften unserer besten und neuesten Jugenderzieher. […] Ich habe meinem Werkchen eine Form gegeben, die dasselbe vielleicht nicht ganz unbrauchbar zu einem Leitfaden bey pädagogischen Vorlesungen machen dürfte. Wirklich habe ich mich desselben auch größten Theils bey dem Unterricht der Präparanden bedient.“ Vierthaler 1791:1-3
„Nicht müßige Speculation, sondern theils Ueberzeugung, wie sehr die Erziehungslehre von dem Punkte der Vollkommenheit, dem sie sich immer nähern muß, entfernt sei; theils der aufrichtige Wunsch, der Erziehungslehre einen, wenn auch noch so geringen Dienst zu leisten, sind es, die mich bewogen, einige meiner Gedanken über Erziehung dem Publiko mitzutheilen. […] Die Erziehungslehre, die bis ietzt nicht viel mehr als ein Aggregat von Bemerkungen, Erfahrungen und Regeln ist, die durch kein gemeinschaftliches Band innerlich verbunden und geordnet sind, bedarf, um Ordnung, Licht und durchgängige Einheit zu erhalten, nichts so sehr, als allgemeingültiger Principien.“ Greiling 1793:3
Die hermeneutisch-rekonstruktive Analyse der Vorworte (und Inhaltsverzeichnisse) bildet damit eine Hauptaufgabe des Projektes; eine andere ist die Analyse der Referenzen, die innerhalb der Werke gesetzt werden.
Die Referenzen und Zitationen innerhalb der Werke „verschränken disparate Aspekte des Argumentationsverlaufs“ (Brachmann 2003:427), „illustrieren den Stand der Diskussion“ (ebd.) und fungieren damit „als Embleme für Theorien und Denkstile“ (ebd.). Aus referenzanalytischer und bibliometrischer Sicht erzeugen Zitationen und Zitationsverzeichnisse damit „Traditionslinien und konsensuelle Paradigmata durch selektive Interpretationen einschlägiger Forschungsresultate“ (Brachmann 2003:435) und können „als hochverdichtete Metaphern für ganze Denkstile und Diskurse“ (ebd.) angesehen werden .
Die folgende Graphik zeigt die Referenzautoren, die Erst Christian Trapp 1780 in seinem „Versuch einer Pädagogik“ innerhalb des Textes setzt (per Klick auf das Bild gelangt man auf die frei zugängliche Analyseseite des Tools ‚Voyant‘):
Über die Sichtung der Referenzen erhält man also Einblick in die Wissensräume, in denen sich die Autor*innen bewegen, und kann außerdem – über unterschiedliche, synchrone wie diachrone Analysen – nachvollziehen, wie sich die Wissensräume, die in den Werken gespiegelt werden, zueinander verhalten: z.B. hinsichtlich der Homogenität und Heterogenität der verwandten Referenzen.
Literatur
Brachmann, Jens (2003): Gezählte Kompetenz. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 6(3), S. 432-448.
Kempka, Andreas (2015): Lehrbücher der Pädagogik. Exemplarische Möglichkeiten der bibliometrischen Analyse. In: Peter Kauder und Peter Vogel (Hrsg.): Lehrbücher der Erziehungswissenschaft – ein Spiegel der Disziplin? Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 123-138.
Quellen
Greiling, Johann Christoph (1793): Ueber den Endzweck der Erziehung, und über den ersten Grundsatz einer Wissenschaft derselben. 1. Aufl. Schneeberg: Arnold.
Trapp, Ernst Christian (1780): Versuch einer Pädagogik. 1. Aufl. Berlin: Friederich Nicolai.
Vierthaler, Franz Michael (1791): Elemente der Methodik und Pädagogik, nebst kurzen Erläuterungen derselben. 1. Aufl. Salzburg: Franz Xaver Dunle.
Tools
Voyant: hier; Informationen zu Voyant: hier (Wikipedia)